4. Oktober – Fahrt von Aksum nach Adigrat – Aufbruch zur Trekking-Tour

Die für 6 Uhr früh „sharp“ angekündigte Abfahrt ist sogar noch 10 Minuten früher – und auch das nur, weil wir uns nicht hetzen lassen. Der Fahrer kündigt weitere Fahrgäste an – er versucht praktisch in jedem größeren Ort Mitfahrer zu finden. Das ist hier gar nicht so einfach. Und er ist wohl auch ein bisschen teuer – ein Mann verlässt nach erfolglosen Preisverhandlungen den Kleinbus wieder. Die Mitfahrer staunen ein wenig über die „Ferenjis“ an Bord – aber es wird nie wirklich eng.

Dafür ist die Umgebung, durch die es geht, umso schöner. Die Berge ragen hoch auf, lösen sich mit fruchtbaren Tälern ab. Auf den Feldern wogen die Weizen-, Gerste- und Tef-Felder.
Und es geht auf der ausgezeichneten Straße recht schnell – um halb neun liefert der Minibus uns schon vor dem Hotel „Eve“ ab. Dabei haben wir uns doch erst für Mittags angekündigt! Uns macht es nichts aus zu warten – wir nutzen die Zeit, um den Blog weiter zu schreiben und bekommen ein Omlett-Sandwich zum Frühstück. Ein Agent von Tesfa-Tours, bei denen wir die drei Tage Trekking-Tour gebucht haben, erscheint kurz und regelt die Aufbewahrung unseres Gepäcks.
Schließlich kommt Hannibal, unser Führer für die nächsten Tage. Er spricht wirklich ausgezeichnet Englisch.

Als erstes geht es zum Post-Office. Dort gehen weitere Postkarten, diesmal mit einem Barcode-Aufkleber, auf den Weg nach Deutschland. Und wir kaufen, vielleicht für unseren Freund Boris, eine Auswahl schöner äthiopischer Briefmarken. Postfrisch!
Leider müssen wir auch nochmals eine Apotheke ansteuern, denn Annette hat wieder mehr mit dem Darm zu kämpfen.

Das Mittagsessen in einem traditionellen äthiopischen Restaurant ist schon inklusive und dann fahren wir mit Sack und Pack in einem Bajaj ein Stück nach Süden aus der Stadt heraus.
Dort wartet schon ein Esel samt dem lokalen Eselsführer auf uns. Dem Esel hat man zwei Stahlwannen aus alten Ölfässern aufgebunden. Darin wird unser Gepäck verstaut und die ganze Konstruktion mit Seilen am Esel festgebunden.

Der Esel und sein Herr, ein 62-jähriger hagerer ehemaliger Dergh-Soldat, ein richtiger Spaßmacher, sind beim anschließenden Aufstieg die schnellsten. Der Weg schlängelt sich den Berghang hinauf und immer wieder gibt es interessante Ausblicke auf die Stadt, die Wendelin bei seinem ersten Besuch 1991 als eine kleine Ansammlung von Häusern mit einem riesigen Flüchtlingslager erlebt hat. Adigrat ist jetzt eine richtige Stadt mit rund 75 000 Einwohnern.
Hannibal lebt hier seit dem Sommer 1991. Er ist im gleichen Jahr geboren, in dem wir damals zu Dreharbeiten in Adigrat waren. Er ist fasziniert von den Berichten von damals und erzählt seinerseits nochmal eine neue Sicht der äthiopischen Politik.

Bald schon sind wir nach langen Diskussionen über die Rolle der Tigraier in Äthiopien, die Bedeutung von Meles Zenawi und die Stärken und Schwächen der TPLF auf dem Hochplateau angekommen. Nun ist der Blick frei auf die Sandsteinberge von Adigrat. Große Tafelberge umranden schluchtartige Taleinschnitte. Überall ist terrassiert, überall wird angebaut. Die steilen Abbrüche der Berge geben dem Ganzen eine wilde Romantik.

Nach insgesamt 12 Kilometern, von denen uns einige wegen der Höhe (zum Schluss sind wir auf über 3000 Metern) doch hart angehen, erreichen wir die „Enaf Community-Lodge“.
Das Gebäude ist den traditionellen Bauernhäusern nach empfunden. Drei Schlafzimmer für die Gäste, ein Raum für die Wache, einer für die Guides, ein Essraum, der als „Restaurant“ gekennzeichnet ist, schließlich die Küche, eine merkwürdig aus Holz konstruierte Toilette und ein Duschraum, in dem ein Kanister mit Wasserhahn aufgehängt ist.
Es gibt insgesamt sechs solcher Häuser, die Mark Chapman, der Gründer und Besitzer von Tesfa-Tours, gemeinsam mit den jeweiligen Gemeinden betreibt. Es gibt einen Verantwortlichen, zwei Frauen kümmern sich um das Essen und die Putzarbeiten (da ist noch nicht viel mit Gleichberechtigung). Reparaturen trägt die Gemeinschaft, für größere Investitionen bemüht sich Mark Chapman wohl um eine Finanzierung.
Von den Einnahmen aus der Vermietung gehen, so wird versichert, 55 % an die jeweilige Gemeinschaft. Sie berät jedes Jahr über die Verwendung der Einnahmen und hat z.B. schon mehrere Klassenzimmer für die Schule daraus finanziert.

Wir strecken erst mal die Beine von uns – und können uns nach längerem mal wieder mit einer Reisenden auf Deutsch unterhalten. Corinna aus Freiburg ist schon vor uns eingetroffen und genießt die Nachmittagssonne vor dem Dachaufbau, der die „Lodge“ krönt. Sie ist im „Sabatikal“ und hat schon Zentralasien und Madagaskar bereist.
Später wird gemeinsam gegessen. Für uns „Ferenjis“ hat man Reis zubereitet, Hannibal und sein Kollege, der Führer von Corinna, halten sich an Injera.
Die Nacht scheint kalt zu werden. In unseren Schlafsäcken wird es aber nach einiger Zeit ganz schon warm. Und beim nächtlichen Toilettengang können wir einen überwältigenden Sternenhimmel sehen. Schade, dass man den nicht fotografieren kann!